Woldemar Herdt

Wurde am 25 Dezember 1917 in Seelmann an der Wolga geboren. Seit 1962 wohnt W.Herdt in der Region Altai.

Die ersten Gedichte und Erzählungen wurden 1936 in der Pionier- und Jugendpresse veröffentlicht.  

Die Nacht ist kalt und teuflisch lang.

Mich friert es an den Füßen.

Auch kommen noch die Wanzen an,

um Bruderschaft zu schließen.

..Podjom!" der Kommandant schon plärrt,

eh Schlaf mich übermannte.

Aus ird'nen Schüsseln wird verzehrt

im Stehn die „Fischbalande".

Dann zählt man uns zum Tor hinaus,

gleich einer Herde Schafe.

Die Tajga fühlt sich hier zu Haus:

Sie liegt noch tief im Schlafe.

Vom kalten Nordlicht schnell'n empor

durch's Dunkel blanke Pfeile.

Verwundert fällt ein Meteor,

schreibt seine Abschiedszeile.

Wir schreiten hin im Gänsemarsch

mit Spaten und mit Picken.

Zwei Wächter gehen uns voraus

und einer folgt im Rücken.

Am Bauobjekt gibt man uns kund

die Arbeitsnorm der Taiga:

Drei Kubikmeter Wintergrund

bedeutet eine „Paika".

Wer dieses Solls nicht mächtig ist,

hat nichts ,,zu Haus" zu suchen.

Man hebt dem ,,Lauskerl" und ,,Faschist"

den Arbeitsmut mit Fluchen.

Die ändern torkeln schon halb tot

zurück in die Kolonne.

Hier folgt das schwarze Abendbrot

Der Menschen Trost und Wonne.

Im Dämmerlicht der Handel haust

Mit Tabak,Brot und Hölzern,

Rings um die Lampen wird gelaust

In Hosen und in Pelzen.

 

       Neujahrsnacht

       (1942—1943)

 

Tiefe Stille liegt über dem Wald.

Von dem Frost sind die Scheiben bemahlt.

Die Baracke ist trostlos und kalt:

Blaues Glühlicht das Elend bestrahlt

Neben mir auf dem Bretterbett

ist mein Freund aus dem Schlummer erwacht.

Dieses elende Menschenskelett

wünscht mir Glück in der Neujahrsnacht

Doch wie liegt es so weit jetzt, so weit,

hinter Bergen und endlosem Tann.

von den Schrecken des Krieges verschneit

dort, wo niemand sich hinwagen kann.

Doch es kehrt einmal wieder zurück

mit dem Frühling im Feldblumenkleid

wärmt mit Hoffnung den trostlosen Blick,

bringt uns endlich die Friedenszeit

 

     Brief an die Geliebte

Mein lieber Schatz, ich liege krank.

Das Leben geht bergunter.

Der Sanitäter schaut schon lang

nach meinem Sachenplunder.

Die Armbanduhr, dein lieb' Geschenk

vertauschte ich für Pillen.

Verzeih, wenn diese Tat dich kränk'.

um unsrer Liebe Willen!

Ich bin so arm. Zu diesem Brief

Fehlt mir Papier und Tinte,

drum schreib` ich diese Zeilen schief

auf eine Birkenrinde

Ein neuer Frühling zog ins Land

Er brachte allen Frieden.

Den Menschen ist nach schwerem Kampf

Ein Wiedersehen beschieden.

Nur du, mein leidgeprüftes Volk,

sollst in Verbannung bleiben.

Man zwingt uns mit der eignen Hand,

den Akt zu unterschreiben.

 

                   

Der Winter ist erbarmungslos:

bis vierzig Grad die Fröste.

Schon viele stehen fast halb bloß,

doch schaffen wir aufs beste.

Die Säge klingt im Tannenwald,

die Bauten sich vermehren.

Der Tod übt schreckliche Gewalt,

von Frieden nichts zu hören.

Das Heimatland in Not und Qual

braucht Kohle, Holz und Eisen.

Wir schürfen Erze, schmelzen Stahl

Und legen Bahngeleise.

Daß wir, die Deutschen, Feinde sind,

ist, Stalin, eine Lüge.

Sogar beim Sterben barmen sie:

„Mög' doch die Heimat siegen!“

Die liebe alte Wahrheit schwebt

mit Bruno um die Erde.

Die ewig  junge Hoffnung lebt:

Bald muß es anders werden!

                Nordural 1942—43.